Im Jahr 2018 wurde bei Knorr-Bremse das Entwicklungsprogramm Reproducible Braking Distance (RBD) initiiert. Dahinter verbirgt sich die Integration einer neuartigen Verzögerungsregelung mit einem verbesserten Gleitschutz sowie einem zugweit ausgelegten und situationsangepassten Kraftschlussmanagement. Durch diese Technologiekombination können Züge, auch bei schlechten Umwelt- und Schienenbedingungen und insbesondere signalseitigen Anpassungen, bei gleicher Sicherheit enger getaktet fahren. Auf diese Weise ließe sich die bestehende Schieneninfrastruktur besser ausnützen. Inzwischen liegen Validierungen einzelner RBD-Funktionalitäten sowie zusätzliche Erkenntnisse aus Testfahrten und Feldversuchen vor. Eine neue Studie quantifiziert, anhand eines konkreten Betriebsszenarios, das Potenzial zur Kapazitäts- und Stabilitätserhöhung durch die RBD-Funktionalitäten. Eine darin beinhaltete Sensitivitätsanalyse gibt Aufschluss über den Effekt unterschiedlicher RBD-Ausrüstungsgrade.
Höhere Taktdichten durch geringere Bremswegstreuungen
Wer durch London möchte und Zeit hat, nimmt am besten das Auto. Mit 156 Stunden Zeitverlust im Jahr benötigten Autofahrer dort im Jahr 2022 weltweit die besten Nerven. Der Effekt der verstopften Straßen betrifft jedoch mittlerweile den gesamten Globus. Auf den nachfolgenden Plätzen liegen Chicago (155 Stunden), Paris (138), Boston (134) und Bogota (122). Die staureichste deutsche Stadt ist mit etwa 70 Stunden Zeitverlust München. Die Zahlen der Inrix-Studie „Global Traffic Scorecard“ des Jahres 2022 [1] stehen für eine Kehrseite der Urbanisierung. Bleibt alles beim Alten, wird sich die Situation in absehbarer Zukunft noch spürbar verschärfen.
Die Transportkapazitäten, gerade im öffentlichen Personennahverkehr zu erhöhen, spielt bei der Antwort auf diese Problematik eine zentrale Rolle. Wo gerade in Ballungsräumen die Schieneninfrastruktur an ihre Grenzen stößt, bleiben der Öffentlichen Hand zwei Optionen: Neue – und bekanntlich teure – Gleise zu verlegen, sofern dies aus Sicht der Raumnutzung möglich ist, oder Möglichkeiten zu finden die bestehende Schieneninfrastruktur besser zu nutzen. Eine Unterstützung des letzteren Ansatzes wird von der Knorr-Bremse mit dem Programm Reproducible Braking Distance (RBD) verfolgt.
Das Programm setzt an der Taktung zwischen den Zügen an, jenem Punkt also, dessen Grenzen im Betrieb durch Signaltechnik, Infrastruktur, betriebliche Vorgaben sowie insbesondere auch Bremskurven gesetzt werden. Ein nicht unerheblicher Anteil, der bislang in der Taktung eingepreisten Margen steht in direktem Zusammenhang mit den fahrzeugseitig und durch schlechte Umwelt- und Schienenbedingungen verursachten Bremswegstreuungen: Züge müssen bei maximal zulässiger Geschwindigkeit und verringertem Kraftschluss stets innerhalb festgelegter Grenzen sicher zum Stehen kommen.
Damit liegt im Umkehrschluss ein attraktiver Gedanke: Verringert sich die Streuung der Brems- und Anhaltewege – sprich, werden diese reproduzierbarer – können die Margen ohne Abstriche bei der Sicherheit reduziert beziehungsweise über angepasste Bremskurven und -verzögerungen optimiert werden.
Die funktionale Verknüpfung der drei Pfeiler aus neuartiger Verzögerungsregelung (Deceleration Control, DCC), verbessertem Gleitschutz (WheelGrip adapt) sowie dem nun zugweit ausgelegten und situationsangepassten Kraftschlussmanagement (Adhesion Management, ADM) fungiert hierbei wie der sprichwörtliche Schlüssel im Schloss: Belastbar nachgewiesen können nun höhere Verzögerungswerte in den Bremskurven und -verzögerungen berücksichtigt werden, ohne die physikalische Bremsleistung erhöhen zu müssen. Auf bestehender Infrastruktur wären dadurch zusätzliche Kapazitäten geschaffen und Netzbetreiber könnten diese mit weiteren Zügen „füllen“.
80809 München
Deutschland
carina.smid@knorr-bremse.com
Erster DCC-Feldversuch: 100 % Verfügbarkeit und positive Rückmeldungen
Bekanntlich gibt es im realen Bahnbetrieb keine konstanten Bedingungen. Das Verhalten von Brems- und Drehgestellausrüstung wie zum Beispiel der Reibpaarungen von Belag und Scheibe ist bei Bremsvorgängen nicht konstant und weiterhin abhängig von sich im Tagesverlauf ändernden Umgebungsbedingungen wie z.B. Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Ebenso variiert der Wirkungsgrad der Bremsaktuatoren und auch der Durchmesser der Radsätze lässt sich verschleißbedingt nicht exakt berücksichtigten. Derartige Variablen resultierten in einer nicht zu vernachlässigenden Streuung der Bremswege.
Aufgabe der DCC ist nun, die tatsächlich erreichten Verzögerungswerte eines Zuges von derartigen Variablen zu entkoppeln. Dazu gleicht die Funktion permanent die reale Verzögerung mit der vorgesehenen Wirkung der eingebrachten Bremskraft ab. Hierzu nutzt sie in jedem Wagen verbaute und in die Bremssteuerung integrierte Beschleunigungssensoren. Die Bremssteuerung gleicht dabei permanent die Differenz zwischen der berechneten Zugverzögerung und dem Sollwert der angeforderten Verzögerungskraft des Zuges aus. Die Schwankungen im Bremsweg bei gleicher Ausgangsgeschwindigkeit reduzierten sich hierdurch drastisch [2]. Durch diese Regelung wird ein statistisch besseres Bremsverhalten erreicht, welches wiederum als Basis für die Berechnung der Zugfolgezeiten zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zügen dienen kann. Im Zusammenspiel mit dem in den zukünftigen Bremssteuerungen enthaltenen Konzept der Controlled Emergency Brake (CEB) ist DCC sowohl bei Betriebs- als auch bei Schnellbremsungen aktiv.
Auf erfolgreiche Tests im Jahr 2018 auf dem IK Testring nahe Żmigród in Polen mit nachfolgender Homologation folgte ein über zweijähriger Feldtest eines mit DCC ausgerüsteten NEWAG-EN63A-Triebzugs im Passagierbetrieb auf den Linien Szczecin – Swinoujscie, Szczecin – Slupsk und Szczecin – Kostrzyn nad Odra. Im Mittelpunkt stand die Validierung der DCC-Funktionalitäten mit Fokus auf deren Performance und Verfügbarkeit bei sowohl Betriebsbremsungen aus bis zu 130 km/h (durchschnittliche Verzögerungswerte zwischen 0,35 m/s2 und 0,44 m/s2 auf unterschiedlichen Strecken), als auch bei Schnellbremsungen (Emergency Brakes).
Ein standardisierter und von 36 Triebfahrzeugführern ausgefüllter Fragebogen gab im Anschluss Einblick in die Perspektive aus dem Führerstand. Von 17 Personen, welche nach eigenen Angaben gelegentlich oder oft das Testfahrzeug fuhren, bewerteten 53 % das Bremsverhalten als „besser“, weitere 41 % als „gleich“. Die Erreichung der Haltegenauigkeit am Bahnsteig schätzten 47 % der Fahrer als besser, die restlichen 53 % als “gleich” ein. Als perspektivisch ebenso wichtig dürften die exzellenten Zuverlässigkeitswerte der Steuerung gelten: Die Verfügbarkeiten von DCC sowie der Schnellbremsfunktion CEB lagen über den kompletten Zeitraum bei 100 %.
RBD-Funktionalitäten im Fahrversuch auf dem advanced TrainLab
Während sich der technische Nutzen von DCC vornehmlich auf Bremsungen unter ausreichenden Kraftschlussbedingungen bezieht, zielen die Funktionen WheelGrip adapt sowie das Adhesion Management auf Situationen bei verringertem Kraftschluss Rad/Schiene ab. Diese werden aktuell durch betriebliche Maßnahmen und/oder eine defensive Fahrweise der Fahrzeugführer beherrscht. Zukünftig, insbesondere im Hinblick auf den automatisierten Zugbetrieb unter GoA3/ GoA4, müssen technische Lösungen diese Zustände erkennen und bewältigen. Der verbesserte Gleitschutz und das nun zugweit ausgelegte sowie situationsangepasste Kraftschlussmanagement ergänzen sich dabei.
Zur Generierung von Eingangsinformationen für die Entwicklung dieser Funktionen hatte Knorr-Bremse bereits im Jahr 2019 im Rahmen von Shift2Rail PINTA2 eine Versuchskampagne unter Beteiligung der DB Systemtechnik durchgeführt. Innerhalb dieser wurden mit dem advanced TrainLab (aTL), einem zum Versuchszug umgebauten Triebzug der Baureihe 605, Grundlagenuntersuchungen unternommen, um die Sandwirkung entlang des Zuges belastbar quantifizieren zu können. Der Schwerpunkt lag dabei auf Versuchen unter extrem niedrigen Kraftschluss, durch Präparierung mit Laub oder Papier (xnH, µ < 0,03). Bremsungen mit und ohne Aktivierung der Sandungsanlage ermöglichten jeweils eine Bestimmung des Referenzzustands im Rad-Schiene-Kontakt sowie die Sandwirkung bei Ausbringungsmengen (400 g/30 s, 2 g/m, 4 g/m, 7,5 g/m Sand) [3].
Gemeinsam mit der DB Systemtechnik folgten im Jahr 2022, diesmal im Rahmen von Shift2Rail PIVOT2, als nächster logischer Schritt abermals Versuche, diesmal mit Fokus auf der Validierung der neu entwickelten Funktionen WheelGrip adapt, ADM sowie der DCC-Teilfunktion Deceleration Measurement (DMM) zur zugweiten Verzögerungsermittlung. Weiterhin wurde die Interaktion der Funktionen untereinander untersucht. Für die Tests wurde zusätzliche Elektronik-Hardware parallel zur aktuell im Fahrzeug befindlichen Bremssteuerungs-Hardware installiert und darauf die neuen Funktionen und Algorithmen implementiert. Die zur Validierung beeinflussten Ausgangsparameter stellten der Schienenzustand (Aufbringung von Wasser/ Seife, Öl sowie Papier), die Bremsanforderung mit Schwerpunkt auf der Schnellbremse sowie die Bremsausgangsgeschwindigkeit (60 km/h bis 120 km/h) dar. Funktionsseitig wurden unterschiedliche ADM-Modi sowie unterschiedliche Gleitschutzeinstellungen getestet.
Damit ließen sich die Funktionsweise sowie die Vorteile der in eine ESRA Classic-Bremssteuerung integrierten ADM-Funktionalitäten in Verbindung mit einer Sandungsanlage zur Verbesserung des Kraftschlusses erstmals in einem realen Triebzug darstellen. So führte die Verwendung zu deutlich verbesserten Anhaltwegen. Weiterhin konnten durch die Ergebnisse am realen Fahrzeug jene aus vorangegangenen Versuchen, unter anderem am ATLAS-Prüfstand von Knorr-Bremse, bestätigt werden.
Abbildung 5 zeigt beispielhaft die Wirkung der ADM-Funktion auf der mit Öl präparierten Schiene. Der rote Datensatz zeigt die Verzögerungswerte des Versuchsträgers ohne Kraftschlussmanagement. Der Bremseinsatzpunkt liegt vor dem präparierten Streckenabschnitt. Beim Erreichen der Ölpräparation ist eine optimale Bremskraftübertragung und damit die gewünschte Fahrzeugverzögerung nicht mehr möglich. Erst bei Verlassen des präparierten Bereichs kehrt der Kraftschluss zurück und die Bremsverzögerung steigt wieder an. Bei aktiviertem Kraftschlussmanagement (blaue Datensätze) wird der starke Einbruch der Fahrzeugverzögerung vermieden. Das System ist in der Lage diese über den geölten Schienenabschnitt auf einem konstanten Niveau zu halten. Zum Vergleich des neuen Systems mit idealen Bedingungen, wird ein Messdatensatz einer Bremsung auf trockener Schiene aufgezeigt (schwarzer Datensatz). Trotz deutlich verbesserter Bremsleistung kann durch den alleinigen Einsatz des Kraftschlussmanagements, aufgrund der drastisch verschlechterten Kraftschlussbedingungen, die nominale Bremsverzögerung nicht erreicht werden. Durch gleichzeitigen Einsatz aller RBD-Funktionen wären zusätzliche Verbesserungen möglich.
Darüber hinaus bestätigten Versuche unter Einsatz des WheelGrip adapt den bereits von Reisezugwagen bekannten Vorteil gegenüber aktuellen Gleitschutzsystemen in einem Triebzug. Der neue Algorithmus führte bei gleicher Leistungsfähigkeit, bei verringertem Kraftschluss unter UIC-Bedingungen zu einer verbesserten Bremsleistung unter extrem niedrigen Kraftschlussbedingungen (xnH). So konnte insbesondere in diesem Kraftschlussbereich (Anfangskraftschluss unter 5 %) gegenüber aktuellen Systemen eine, im Mittel über die Versuche hinweg, gesteigerte Verzögerung erzielt werden. Abbildung 5 zeigt beispielhaft die während zweier aufeinander folgender Messreihen erzielte mittlere Fahrzeugverzögerung auf dem präparierten Messabschnitt unter xnH-Bedingungen. Dabei wurden in einer Abfolge Schnellbremsungen aus jeweils unterschiedlichen Fahrtrichtungen mit wechselnder Gleitschutzkonfiguration durchgeführt. Durch wiederholtes Befahren des Versuchsabschnitts in eingebremstem Zustand ist ein stetiger Anstieg der mittleren Verzögerungen erkennbar. Jeweils vor Versuch 1 sowie 16 wurde eine Neupräparation durchgeführt. Die Messdaten zeigen, dass mit dem adaptiven Gleitschutz WheelGrip adapt unter ähnlichen Kraftschlussbedingungen höhere Verzögerungen erzielt werden konnten. Die Durchführung zweier Versuchsreihen mit unterschiedlicher Ausgangsfahrtrichtung bestätigt die Richtungsunabhängigkeit des Ergebnisses.
Hinsichtlich DCC stand die Validierung der Teilfunktionalität DMM, integriert in einem Prototyp der neuen Knorr-Bremse CubeControl-Bremssteuerung, im realen Triebzug im Mittelpunkt. Dies bedeutete konkret: Die lokale CubeControl-Verzögerungsmessung, deren automatische Kalibrierung im Betrieb sowie die Berechnung eines zugweiten Verzögerungswerts aus den Informationen der miteinander vernetzten lokalen Steuereinheiten. Im Ergebnis lieferte die Funktion stabile und plausible Ergebnisse, wobei hinsichtlich Signalgüte und DMM-Genauigkeit Verbesserungspotenzial aufgedeckt werden konnte.
RBD-Potenzial abhängig von Verkehrsnetz und Flotten-Ausrüstungsgrad
Wenn auch im Rahmen von Fahrversuchen darstellbar, generieren die neuartigen Funktionen ihren praktischen Nutzwert final erst während des Fahrgastbetriebs auf der Schiene. Daher erhoben Knorr-Bremse und das IFB Institut für Bahntechnik GmbH zum Start des Entwicklungsprojekts die Potenziale von RBD zunächst per generischer Betriebssimulation. Bereits dabei ergaben sich bei trockenen Schienen folgende Spannen für die Verkürzung der theoretischen Zugfolgezeiten: U-Bahn: 9 bis 19 %, S-Bahn: 9 bis 16 %, Regionalverkehr mit Triebzügen: 1,5 bis 4 % und Hochgeschwindigkeitsverkehr (China): bis zu 20 %. Im Hinblick auf reduzierte Kraftschlussbedingungen lagen die Spannen bei der U-Bahn zwischen 10 und 13 %, bei der S-Bahn zwischen 10 und 12% sowie im Regionalverkehr mit Triebzügen zwischen 4 und 7 %. Im Hochgeschwindigkeitsverkehr (China) ergaben sich, analog zur trockenen Schiene, bis zu 20 %.
Als nächsten logischen Schritt führte die Knorr-Bremse in Kooperation mit den Bahn-Beratungsunternehmen NEXTRAIL und VIA-Con eine detailliertere Studie durch, um das Potenzial der RBD-Funktionen am Beispiel eines konkreten Verkehrsnetzes quantifizieren zu können [4]. Dazu wurden für den Normalzustand („trockene Schiene“) und für reduzierte Kraftschlussbedingungen („nasse Schiene“) je ein Vergleichsszenario sowie je ein RBD-optimiertes Szenario simuliert und die dazugehörigen Zugfolgezeiten ermittelt. Als Basis hierfür diente das Hamburger S-Bahnnetz unter Berücksichtigung eines automatisierten Fahrbetriebs (ATO over ETCS L2, GoA2), wie es derzeit für das Netz projektiert wird. Die Ergebnisse untermauern die Größenordnungen der Potenzialstudie aus dem Jahr 2019: RBD kann die Mindestzugfolgezeiten um wertvolle Sekunden verkürzen und Pünktlichkeitseinbrüche bei widrigen Umweltbedingungen verhindern.
Dass technische Zugfolgezeiten (tZFZ) sich mithilfe von ETCS-Blockverdichtungen signifikant senken lassen, gilt als hinlänglich bekannt. Mit zunehmender Minimierung der ETCS-Blocklängen ist dieses Potenzial jedoch ab einem gewissen Punkt ausgeschöpft. Wird nun aber zudem RBD eingesetzt, um die Annäherungsfahrzeit zu reduzieren, lassen sich auch die vermeintlich ausgereizte tZFZ weiter senken. Den Untersuchungen zufolge erscheinen auf trockener Schiene im Mittel 3 % und auf nasser Schiene (verringerte Kraftschlussbedingungen) 9 % geringere tZFZ als realistisch.
Auf trockener Schiene erhöht sich damit die Nennleistung (Kapazität) in der Kombination aus verkürzter tZFZ sowie der verbesserten Betriebsqualität/ Pünktlichkeit um 12 Prozentpunkte (dies entspricht knapp 10 % ggü. dem Ausgangszustand der Berechnung). Dies bedeutet für den Hamburger City-Bereich rechnerisch 1,5 zusätzliche Züge pro Stunde und Richtung. Auf nasser Schiene beträgt die Steigerung gar 26 %, was einer der trockenen Schiene nahezu identischen Nennleistung entspricht.
Hinsichtlich Betriebsqualität/Pünktlichkeit (Betrieb mit ATO over ETCS Level 2 ohne RBD im Vergleich mit RBD) kann RBD die Summe der unkompensierten Verspätungen auf trockener Schiene um 18 % reduzieren. Die 3-Minuten-Pünktlichkeit kann um einen Prozentpunkt gesteigert werden. Auf nasser Schiene ist RBD in der Lage, die Summe der unkompensierten Verspätungen gegenüber nasser Schiene ohne RBD um mehr als die Hälfte zu reduzieren (-57 %). Damit rückt auch auf nasser Schiene ein Pünktlichkeitsniveau ähnlich dem der trockenen Schiene in erreichbare Nähe.
Da nicht davon auszugehen ist, dass eine komplette Flotte zeitgleich auf einen Betrieb mit RBD umgerüstet wird, wurde im nächsten Schritt der RBD-Nutzen im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse bei unterschiedlichen Ausrüstungsgraden (25 %, 50 % und 100 %) der betreffenden S-Bahn-Flotte quantifiziert.
Vorhandene Reserven im Fahrplan eingerechnet, erreicht man mit RBD ab einem Ausrüstungsgrad von etwa 50 % eine mit RBD-Vollausrüstung vergleichbare Betriebsqualität. Die 25-prozentige RBD-Ausrüstung zeigt dagegen im Hinblick auf die 3-Minuten-Pünktlichkeit nur einen geringen Effekt.
Der Effekt auf die Nennleistung des Netzes stellte sich als näherungsweise linear heraus: Mit 100 % RBD-Ausrüstung steigt sie um 10 % gegenüber dem Vergleichsfall ohne RBD. Bei einer Ausrüstungsquote von 50 % beträgt die Steigerung 5 %, bei 25 % Ausrüstung noch 2,5 %.
Autoren: Jörg Braeseke; Dr. Marcus Fischer; Ulf Friesen; Johannes Graeber
Literaturverzeichnis:
[1] INRIX, „Global Traffic Scorecard 2022“, https://inrix.com/scorecard/
[2] Ulf Friesen, Ralf Furtwängler, Norman Kreisel, Jörg Braeseke, Dariusz Ciesielski: Verzögerungsgeregeltes Fahrzeug ermöglicht ein stabileres Bremsverhalten in allen Geschwindigkeiten. ZEVrail, 02/2020
[3] Dr. Marcus Fischer, Kurt Haselsteiner, Dr. Ferenc Szekely, Sebastian Heinz, Felix Kröger. Mehr Mobilität auf der Schiene: Erhöhung der Transportkapazität durch Optimierung des Kraftschlusses. ZEVRail, 10/2020
[4] Kerstin Büker, Dr. Marcus Fischer, Johannes Gräber. Verbesserung von Kapazität und Betriebsqualität durch reduzierte Streuung der Bremswege. ETR 11/2022