"Die Firma war zur richtigen Zeit am richtigen Ort" - Im Gespräch mit Jacek Biłas

Seit 2004 ist Jacek Biłas Managing Director bei Knorr-Bremse Polen, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feiert. Sein gesamtes bisheriges Berufsleben hat Biłas in der polnischen Eisenbahnbranche verbracht. Ein Blick auf einen spannenden Schienenverkehrsmarkt.

Herr Biłas, in was für eine Zeit fiel vor 25 Jahren der Start von Knorr-Bremse in Polen?

Wir Polen durchlebten damals spannende, aber auch angespannte Zeiten. Die ersten Jahre nach dem Fall des „Eisernen Vorgangs“ waren nicht immer einfach. Aber spätestens mit dem Start der EU-Beitrittsverhandlungen im Jahr 1997 wurden die Perspektiven immer klarer: Unser Land würde in absehbarer Zeit Mitglied der Europäischen Union werden! Das löste eine echte Aufbruchstimmung aus, auch in der Schienenfahrzeugindustrie.

In dieser Aufbruchstimmung nahm Knorr-Bremse Polen im Herbst des Jahres 1999 in Krakau den Betrieb auf. Was wurde damals produziert?

Die Firma war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit den Bremsausrüstungen der neuen Metropolis-Fahrzeuge für die Warschauer Metro stiegen wir sofort mit einem sehr repräsentativen Projekt in den Markt ein. Ein solcher Start von 0 auf 100 stellte natürlich eine enorme Herausforderung für den Standort dar. Allerdings konnten wir damit auch zeigen, was in uns steckt: exzellente Qualität und hohe Liefertreue. Wir waren der Newcomer, der westliche Schienenfahrzeugtechnologie ins Land brachte. Von dieser Expertise profitierten die polnischen Hersteller nicht nur in Form von besseren Fahrzeugen mit niedrigeren Lebenszykluskosten. Auch als es bei Exportprojekten um die Zulassung ihrer Fahrzeuge ging, konnte Knorr-Bremse sich aufgrund seiner Erfahrung lohnend einbringen. Parallel bauten wir unsere Instandhaltungsstrukturen auf. Denn zu dem Vertrag über die Metropolis-Bremsausrüstungen gehörte auch eine langjährige Servicevereinbarung.

Info

Nach Studienabschlüssen an der Fakultät für Verkehrswesen und Elektrotechnik der Technischen Universität Krakau sowie der Universität für Außenhandel und internationale Finanzen in Warschau startete Jacek Biłas seine berufliche Laufbahn als Leiter eines Lokomotivdepots der Polnischen Staatsbahnen (PKP). Nach Stationen bei zwei polnischen Waggonherstellern sowie Alstom wechselte er im Jahr 2004 als Managing Director zu Knorr-Bremse Polen.

Was machte den Einstieg in den polnischen Markt damals so vielversprechend?

Während des Kommunismus wurde nur das Allernötigste für die Schieneninfrastruktur getan. In den 1990er Jahren waren – verständlicherweise – andere Dinge wichtiger als die Eisenbahn. Doch nach und nach fielen die notwendigen politischen Entscheidungen, um den Investitionsstau aufzulösen. Das Land packte den Ausbau der Transitverkehrsachsen an, insbesondere über Posen und Warschau. Zahlreiche Strecken wurden elektrifiziert und für höhere Geschwindigkeiten ertüchtigt. Auf nicht wenigen von ihnen galt vorher eine Begrenzung von 80 km/h …

… seit dem Jahr 2014 betreiben die Polnischen Staatsbahnen Polskie Koleje Państwowe (PKP) auch Hochgeschwindigkeitszüge …

… und erst im vergangenen Jahr hat die Regierung grünes Licht für die Anschaffung von über 100 neuen „Pendolino“-Triebzügen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 250 km/h gegeben. Bei Testfahrten beschleunigte der Zug sogar auf 291 km/h – die höchste Geschwindigkeit, die jemals auf polnischen Schienen erreicht worden ist.

Bis jetzt haben wir viel über den Passagierverkehr gesprochen. Im Frachtverkehr aber ist Polen die größere Nummer.

In der Tat. Etwa 79.000 Güterwagen sind auf unseren Schienen unterwegs. Nach Deutschland und vor Frankreich stellt Polen den zweitgrößten Frachtmarkt in Europa. Von den 62 Milliarden Tonnenkilometern im Jahr 2022 entfielen 31 Prozent auf den internationalen Transport. Mit 22 Prozent liegt der „Modal Share“ spürbar über dem europäischen Durchschnitt von 18 Prozent. Der Anteil dürfte weiter steigen: Insbesondere an den Häfen an der Ostsee laufen einige Projekte für neue Frachtterminals.

Das klingt, als seien Sie wunschlos glücklich.

Was Knorr-Bremse Polen angeht, so kommen wir diesem Zustand zumindest recht nahe: Wir sind mittlerweile fest im Markt verankert, freuen uns bei den Bremssystemen über einen Marktanteil von über 90 Prozent. Wir beliefern unsere Kunden mit praktisch allem, was das Knorr-Bremse Portfolio zu bieten hat. Dabei fällt auf, dass der polnische Markt gerade gegenüber digitalen Lösungen sehr offen ist. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sprechen die Sprache unserer polnischen Kunden und sind bestens mit der Kultur und den Gepflogenheiten vor Ort vertraut. Und wir wachsen weiter: Erst im vergangenen Herbst haben wir in Rzeszów eine neue Produktions- und Serviceanlage eröffnet. Das bedeutet nochmals verkürzte Reaktionszeiten gegenüber unseren polnischen Kunden.

Was wünschen Sie sich für den polnischen Markt als Ganzes?

Die Investitionen, die in den vergangenen Jahren in die polnischen Schienen geflossen sind, waren richtig und sind unübersehbar. Aber sie dürfen nicht nachlassen. Gerade die überregionalen polnischen Straßen befinden sich in einem sehr guten Zustand. Daraus entsteht für den Schienenverkehr ein Nachteil. Deshalb wünsche ich mir, dass es mit den Geschwindigkeitsertüchtigungen der Strecken schneller vorangeht. Insbesondere im Frachtverkehr hinken wir den Durchschnittsgeschwindigkeiten im restlichen Europa noch deutlich hinterher.

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