Schnellzug der Deutschen Bahn mit mathematischen Formeln.

TrainBraC: Neuauflage eines Klassikers

Die Auslegung und Nachweisführung von Bremssystemen für Schienenfahrzeuge bedeutet für alle Beteiligten, von den Entwicklungsabteilungen über die Zulassungsbehörden bis zu den Betreibern, eine komplexe Angelegenheit. Das für alle verfügbare Bremsberechnungsprogramm TrainBraC (Train Brake Calculation) liefert hierzu eine wertvolle Hilfestellung – mittlerweile hat es sich als Industriestandard für Bremsberechnungen sowie zur Verifizierung eigener Berechnungen etabliert. Zehn Jahre nach seinem Rollout bekam es nun ein umfangreiches Upgrade in Form der TrainBraC Next Generation.

Effizientes Tool kompensiert steigende Komplexität bei der Auslegung und Nachweisführung von Bremssystemen

Als im Jahr 2002 die Unternehmen Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH, Siemens Mobility GmbH und DB Systemtechnik GmbH für das Tool TrainBraC ihre Kräfte bündelten, wurde bis dato eine Vielzahl hauseigener Bremsberechnungsprogramme quer durch die gesamte Branche verwendet. Die bisherigen Berechnungstools mit ihrer weit verbreiteten Auslegung über empirische Ersatz- und Mittelwerte waren den zukünftigen Anforderungen kaum mehr gewachsen. Gleichzeitig fielen die damals anstehenden Fahrzeugneuentwicklungen in die Zeit eines tiefgreifenden Wandels: Die Liberalisierung des Schienenverkehrsmarkts war im Gange. Nationale Richtlinien wurden durch internationale (EN14531) ersetzt, Standardisierungs- und Normungsvorhaben vorangetrieben.

Ein neues Tool war nötig, um die Vielzahl von Abhängigkeiten wie Zeit, Geschwindigkeit oder Beladungsstufe zu verarbeiten und aus Perspektive der Bremstechnik auch komplexe und physikalisch orientierte Fahrzeugkonfigurationen zu ermöglichen. Zu-dem sollte es den möglichst unkomplizierten Austausch von Auslegungsberechnun-gen sowohl intern als auch extern ermöglichen - innerhalb der Unternehmen, zwischen Projektpartnern oder Zulassungsbehörden sowie disziplinübergreifend in Forschung und Entwicklung. Nicht zuletzt galt es auch einer deutlich verbesserten Effizienz und Fehlervermeidung bei der Auslegung von Bremssystemen Rechnung zu tragen. Der Weg zu dieser Zielsetzung führte über die Entwicklung von TrainBraC – und dessen generischen Programmstrukturen. Hierfür kam unter der Leitung der Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH ein unternehmens- und länderübergreifendes Team zusammen.

Kontakt

Carina Smid Marketing Rail

Moosacher Straße 80
80809 München
Deutschland

Tel.: +49 89 3547-182347
carina.smid@knorr-bremse.com

TrainBraC als zentrales Berechnungsprogramm bildet die Basis der brems-technischen Zulassung

Seit dem Jahr 2012 unterstützt das Tool nunmehr die ebenso effiziente wie abgesicherte Bremssystemauslegung von Einzel- und Plattformprojekten, im Vollbahnbereich sowie bei Straßenbahnen und Metros. Anstatt mit verschiedenen „Spezialprogrammen“ für Systemauslegung, Zulassungsvorbereitung und Betriebsverifikation zu arbeiten, bündelt es sämtliche Funktionalitäten in einem durchgängigen und zentralen Berechnungsprogramm.

Seinen Mehrwert spielt das Tool insbesondere bei modernen Triebzugkonzepten mit komplexen Bremskraftverteilungen bzw. Blendingstrategien aus. Etwa, wenn möglichst verschleißarm gebremst sowie Bremsenergie zu einem möglichst großen Anteil zum Anfahren anderer Fahrzeuge im Netz verwendet werden soll. Zudem wurde sichergestellt, dass die Ergebnisse der nach TSI LOC&PAS geforderten Berechnungen auch der bremstechnischen Zulassungsprüfung genügen. Hierbei sind auch Vergleichsdarstellungen zwischen berechneten und gemessenen Bremskurven möglich.

Die bewährte Architektur als Basis der Weiterentwicklung

Gut zehn Jahre nach dem ersten Rollout erhielt TrainBraC nun eine umfassende Überarbeitung, die im Kern auf die bewährte Architektur baut:

  • Normkonforme Berechnungsverfahren zur Abbildung und Auswertung von Bremsvorgängen auf Basis einer Einmassen-Bewegungsgleichung mit punktförmigem Fahrzeugmassenmodell
  • Zeitschritt-Integrationsverfahren, um die zu jedem dezidierten Zeitpunkt herrschenden physikalischen Größen auszuwerten
  • Berechnung des Fahrzeugverhaltens in verschiedensten Betriebszuständen und den ausgelösten Bremsungen (z.B. Betriebs-, Schnell- und Zwangsbremsung inklusive Ausfallszenarien)
  • Einbeziehung einer Vielzahl unterschiedlicher Bremssysteme mit ihren inhärenten Eigenschaften und Charakteristiken - realisiert in Form von Betriebssystem-Dynamic Link Libraries (DLL)

Die Gründe für die Beibehaltung des Ansatzes sind heute so aktuell wie damals: Die komplette Bahnindustrie profitiert von der gesteigerten Effizienz bei der Auslegung der Fahrzeuge und vom harmonisierten Datenaustausch von Ausgangswerten und Ergebnissen. Die Anwender der verschiedenen an einer Fahrzeugentwicklung beteiligten Akteure (Fahrzeughersteller, Betreiber, Aufsichtsbehörde, etc.) erfahren Unterstützung bei zeitaufwendigen, sich häufig wiederholenden Tätigkeiten.

Software-Oberfläche für Bremsen-Konfiguration und -BerechnungSoftware-Oberfläche für Bremsen-Konfiguration und -Berechnung
Abb. 1: TrainBraC Benutzeroberfläche mit Fahrzeugkonfiguration als Baumdiagramm (links oben) und Templates für die Bremsausrüstungen (links unten) mit Bremsparametern (Mitte) und Bremskraftverlauf sowie Zeitverhalten beim Bremseinsatz (rechts).

Eindeutige Verknüpfung von Fahrzeugteilen und Bremssystembestandteilen im Rahmen der Weiterentwicklung

Je komplexer sich die Berechnungen darstellen, desto stärker zahlt sich der Ansatz über die als Baumstruktur abgebildete Fahrzeugstruktur aus. Dabei kann ein Fahrzeugmodell bis in feingliedrige Fahrzeugstrukturen, wie beispielsweise das einzelne Rad, erstellt werden. Hierbei gibt es keine Beschränkung bzgl. Elementanzahl und Strukturebenen.

Während die Fahrzeugkonfiguration in der ersten Version des Tools lediglich innerhalb der Baumstruktur möglich war, trennt die TrainBraC Next Generation zwischen der Fahrzeugkonfiguration sowie den Templates für einzelne Fahrzeugteile. Speziell bei mehrteiligen Fahrzeugen oder bei Fahrzeugplattformen spielt dieser Ansatz seinen Mehrwert aus: Strukturelemente wie Zugteile, Wagen oder Drehgestelle lassen sich mit den jeweiligen Bremssystembestandteilen definieren und unkompliziert wiederverwenden.

Dank der einfachen und eindeutigen Verknüpfung von Fahrzeugteilen und Bremssystemkomponenten mit der Fahrzeugkonfiguration können Bremsausrüstungen nun per Drag & Drop flexibel von einem Projekt zum nächsten kopiert werden. Zusätzlich kann der Benutzer einzelne Parameter jederzeit spezifisch anpassen. Mehrere Projekte lassen sich gleichzeitig öffnen und bearbeiten sowie Variationen über verschiedene Bremsausgangsgeschwindigkeiten erstellen. Zudem können künftig von jeder Basisdatei durch Kennzeichnung von Bremsfällen verschiedene Druckausgaben für unterschiedliche Zielgruppen – zur internen oder externen Verwendung – generiert werden. Bei Bedarf lassen sich diese digital signieren. Die eingesetzten Algorithmen basieren auf der Normenreihe EN14531 und werden entsprechend der Entwicklungen im Normenbereich weitergeführt. Zusätzlich können Bremsberechnungen gemäß ISO 20138 erstellt werden.

Diagramm zum Bremsweg aus dem Bremsberechnungsprogramm TrainBraCDiagramm zum Bremsweg aus dem Bremsberechnungsprogramm TrainBraC
Abb. 2: Beispiel eines Bremsdiagramms, das die Bremskurve für bestimmte Fahrzeugbeladungen zeigt.

Anwendungskontext und Perspektive für die nächsten Evolutionsstufen

Genauso wie sich Schienenfahrzeugbranche, Fahrzeuge und deren Subsysteme entlang des technologischen Fortschritts weiterentwickeln, plant das Konsortium auch TrainBraC kontinuierlich weiterzuentwickeln. Es ist in der Softwarearchitektur vorgesehen, solche Erweiterungen in entsprechenden Softwarecontainern zu realisieren und an die Software anzudocken (z. B. für ETCS, Monte-Carlo-Simulationen, Thermische Simulationen).

Die frei per Download beziehbare TrainBraC Demoversion macht bestehende Berechnungen nachvollziehbar, indem sie einen Einblick in Aufbau, Bedienung und Analysemöglichkeiten gibt. Für die professionelle Nutzung des Tools mit dem kompletten Funktionsumfang ist eine Lizenznahme mit entsprechender Schulung erforderlich. Eine kostenfreie Lesefunktion ist implementiert. Die Schulung ist beim Konsortium über die Webseite www.trainbrac.de bestellbar.

Grafik der Bremskräfte in Abhängigkeit von Geschwindigkeit.Grafik der Bremskräfte in Abhängigkeit von Geschwindigkeit.
Abb. 3: Beispiel eines Bremsdiagramms, das die unterschiedlichen Bremskräfte der verschiedenen Bremssysteme zeigt.

Zusammenfassung

Das als Industriestandard etablierte Bremsberechnungsprogramm TrainBraC (Train Brake Calculation) gibt Entwicklern von Schienenfahrzeugen ein wertvolles Tool zur Hand, um Auslegung und Nachweisführung von Bremssystemen effizient durchzuführen und abzusichern. Die Weiterentwicklung TrainBraC Next Generation führt die etablierten Berechnungsverfahren fort, nutzt die bewährte Architektur des langjährig betriebserprobten Tools, bietet aber zahlreiche neue Funktionalitäten sowie eine überarbeitete Benutzeroberfläche für höheren Bedienkomfort. Vor dem Hintergrund des technologischen Fortschritts im Schienenverkehr lässt sich die Software zusätzlich modular erweitern.

Autoren: Ralf R. Schmid (Knorr-Bremse SfS), Toni Schiffers (Siemens Mobility GmbH), Marie-Christine Gobin (Siemens Mobility GmbH), Robert Karbstein (DB Systemtechnik GmbH)

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