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    Reproducible Braking Distance: Auftaktstory.

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    Reproducible Braking Distance: Auftaktstory.

Höhere Transportkapazitäten auf der Schiene: Simulation zeigt Potenziale für optimierte Auslastung bestehender Infrastruktur.

Wo Kapazitäten von Schienenverkehrsinfrastruktur an ihre Grenzen stoßen, bleibt nur der Bau neuer Trassen oder die bessere Ausnutzung bestehender Infrastruktur. Letzteres steht unter anderem im Zusammenhang mit dem Bremsvermögen der Fahrzeuge: Züge müssen bei maximal zugelassener Geschwindigkeit und schlechtem Kraftschluss stets innerhalb eines festgelegten Blocks sicher zum Stehen kommen. Im Zuge des Reproducible Braking Distance (RBD)-Ansatzes integriert Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge hierfür eine neuartige Verzögerungsregelung mit einem verbesserten Gleitschutz sowie einem nun zugweit optimierten Kraftschlussmanagement. Im nächsten Schritt soll mit der Berechenbarkeit von Bremswegstreuungen die Grundlage geschaffen werden, um den Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zügen ohne Abstriche bei der Sicherheit verkürzen zu können. Eine Simulationsstudie hat nun die – durchaus vielversprechenden – Effekte auf die Auslastung der Schieneninfrastruktur errechnet.

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Konservative Bremskurven für hohes Emergency Brake Confidence Level (EBCL)

Der Trend zum urbanen Leben schafft immer mehr Megacities. Während im Jahr 2018 etwa 55% der Weltbevölkerung in Städten wohnten, werden es der jüngsten UN-Studie „World Urbanization Prospects“ zufolge im Jahr 2050 rund zwei Drittel sein [1]. Wo in diesem Zuge Verkehrsleistungen auf der Schiene ansteigen, steht gerade der öffentliche Nahverkehr vor großen Herausforderungen. Die optimierte Auslastung bestehender Schieneninfrastruktur stellt dabei einen wichtigen Lösungsansatz dar.

Zum Hintergrund ist ein Blick auf das Regelwerk nötig, das bisher die Grenzen der Auslastung markiert: Um Kollisionen zu verhindern, verkehren Züge heute in abgesicherten, festen Blöcken erst zukünftig ab ETCS Level 3 sowie mit CBTC (Communication Based Train Control) in definierten Mindestabständen. Im Sinne maximaler Sicherheit sind bisher die zugrundeliegenden Bremskurven sehr konservativ ausgelegt: Züge sollen auch unter ungünstigsten Bedingungen vor dem Gefahrenpunkt sicher zum Stehen kommen.

Die Verzögerungskurven für Schnellbremsungen (Emergency Brake Deceleration, EBD), Betriebsbremsungen (Service Brake Deceleration, SBD) sowie die Eigenschaften des jeweiligen Fahrzeugs oder Zugverbands stellen dabei zentrale Parameter dar. Da den Kennwerten einzelner Bremssystemkomponenten – etwa Zylinderdrücke, Zangenwirkungsgrad oder Reibungsparameter –eine gewisse Streuung zugrunde liegt, sind Wahrscheinlichkeiten maßgeblich, mit der berechnete Bremswege auf trockenen Schienen eingehalten werden. Das so genannte Emergency Brake Confidence Level (EBCL) beschreibt dazu verschiedene Sicherheitslevels. Je höher das Sicherheitsniveau, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit für das Überschreiten des zugesicherten Bremswegs auf trockener Schiene.

Die den EBCL-Niveaus zugeordneten Wahrscheinlichkeiten dienen der individuellen Anpassung des für erforderlich gehaltenen Sicherheitsniveaus für eine bestimmte Infrastruktur und können Werte zwischen 0,5 und 10−9 annehmen. Der Wert 0,5 gibt dabei an, dass der Bremsweg auf trockenen Schienen in 50 Prozent aller Fälle eingehalten wird. In Deutschland liegt der vorgeschrieben Wert unter ETCS Level 2 bei 10-7.

Für Situationen mit schlechten Kraftschlussbedingungen, z.B. nasse oder verunreinigte Schienen, lässt sich die Sicherheitsmarge des gewählten EBCL-Niveaus lediglich durch einen zusätzlichen Parameter Kwet anpassen bzw. erhöhen.

Werden die Toleranzen des Bremssystems in der Regelung zum großen Teil kompensiert, erhöht sich folglich auf trockenen Schienen die Präzision des Bremswegs. Wenn nun auch noch die Schienenverhältnisse, durch ein zugweites ausgelegtes und anrechenbares Sandungssystem, verbessert werden, ließe sich der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zügen ohne Kompromisse bei der Sicherheit verkürzen (Bild 1 und Bild 2).

Zusammenfassung

Wo Kapazitäten von Schienenverkehrsinfrastruktur an ihre Grenzen stoßen, bleibt nur der Bau neuer Trassen oder die bessere Ausnutzung bestehender Infrastruktur. Letzteres steht unter anderem im Zusammenhang mit dem Bremsvermögen der Fahrzeuge: Züge müssen bei maximal zugelassener Geschwindigkeit und schlechtem Kraftschluss stets innerhalb eines festgelegten Blocks sicher zum Stehen kommen. Im Zuge des Reproducible Braking Distance (RBD)-Ansatzes integriert Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge hierfür eine neuartige Verzögerungsregelung mit einem verbesserten Gleitschutz sowie einem nun zugweit optimierten Kraftschlussmanagement. Im nächsten Schritt soll mit der Berechenbarkeit von Bremswegstreuungen die Grundlage geschaffen werden, um den Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zügen ohne Abstriche bei der Sicherheit verkürzen zu können. Eine Simulationsstudie hat nun die – durchaus vielversprechenden – Effekte auf die Auslastung der Schieneninfrastruktur errechnet.

Braking distance variation Graph mit ZugillustrationBraking distance variation Graph mit Zugillustration
Bild 1: Verteilung der Bremswegvariation mit konventionellen Bremssystemen
Grafik zur Bremswegoptimierung und Wahrscheinlichkeit.Grafik zur Bremswegoptimierung und Wahrscheinlichkeit.
Bild 2: Je reproduzierbarer Bremswege werden, desto deutlicher lassen sie sich ohne Kompromisse bei der Sicherheit verkürzen

Integrierte Betrachtung von Verzögerungsregelung, Gleitschutz und Kraftschluss Management

Diese Zusammenhänge stehen im Mittelpunkt des neuen und integrierten Ansatzes einer Reproducible Braking Distance (RBD). Eine neuartige Verzögerungsregelung Deceleration Control (DCC), der verbesserte Gleitschutz MGS3 sowie ein zugweit ausgelegtes Sandungssystem (Adhesion Management) stellen seine drei Pfeiler dar.

Die in allen Bremsarten aktive Verzögerungsregelung zielt auf die Entkopplung der Fahrzeugverzögerung von den variablen Fahrzeug- und Wagenparametern ab. Dazu gleicht die Regelung permanent die Differenz der von einer Sensorik gemessenen Zugverzögerung zum Sollwert der angeforderten Verzögerung ab. Die Bremskraft richtet sich sodann an der jeweiligen optimalen Zielverzögerung aus. Soweit der zulässige Regelbereich dies ermöglicht, werden dabei Toleranzen des Bremssystems wie etwa Erfassung des Lastzustandes sowie des Reibverhaltens der Bremsbeläge kompensiert.

In der Folge verringert sich die Streubreite der maximalen Bremswege auch in der Schnellbremsfunktion deutlich, wie ein umfangreiches (826 Testrunden/ 6210 km) Versuchsprogramm mit einem NEWAG Impuls 31WE-Triebzug im Jahr 2019 zeigte. Mit eingeschalteter elektronischer Verzögerungsregelung reduzierte sich die Bremswegstreuung auch bei Schnellbremsungen um bis zu 85%.

Bei kombinierter elektropneumatischer und elektrodynamischer Bremsung konnte die Standardabweichung von 12,8 Metern (2,3%), auf 1,6 Meter (0,3%) im DCC-Modus verbessert werden. Bei einer Schnellbremsung aus 120 km/h, konnte die Standardabweichung von 16,4 Meter (3,6%) auf 3,3 Meter (0,7%) bei eingeschalteter DCC verbessert werden. Der Bremsweg ist folglich auch im Schnellbremsfall zu einem verlässlich reproduzierbaren Design-Parameter geworden [2] (Bild 3).

Als zweiter RBD-Pfeiler fungiert das erweiterte Gleitschutzsystem MGS3 mit seinem neuen Gleitschutzalgorithmus WSPA3. Hintergrund ist, dass konventionelle Gleitschutzsysteme auf den Regelbereich von 10 bis 20% Schlupf hin optimiert sind. Gerade jedoch im Herbst und unter Laubeinfluss entstehen Situationen, in denen bezüglich Kraftschluss die besseren Schlupfbereiche außerhalb des üblichen Regelbereiches liegen. Detektiert der Algorithmus einen derartigen Schienenzustand, wechselt er in den zusätzlich implementierten Regelbereich für niedrigen und extrem niedrigen Kraftschluss und ermöglicht nun auch auf diesen Schienenzuständen eine bestmögliche Bremskraftübertragung.

Den dritten RBD-Pfeiler bildet ein zugweites Adhesion Management (ADM). Bislang sind Schienenfahrzeuge häufig ohne oder mit nur einem gesandeten Radsatz pro Fahrtrichtung ausgestattet. Neue Erkenntnisse sowie neue Möglichkeiten, die Wirkung des Sandungseffekts zu berechnen, eröffnen die Anwendung eines Adhesion Managements über den gesamten Zugverband hinweg. Ziel ist eine hinsichtlich Schienenverschmutzung, Isolationswiderstand, Sandverbrauch, Einbauvolumen und Lebenszykluskosten projektspezifische Auslegung eines auf mehreren Radsätzen des Zugverbands verteilten Sandungssystems.

Durch die optimierte Ausrüstung mit multiplen Sandungsanlagen lässt sich das zur Verfügung stehende Kraftschlussniveau erhöhen und in der Folge Bremswegüberschreitungen unter schlechten Kraftschlussbedingungen reduzieren.

Vergleich der Bremsabstände mit und ohne DCC.Vergleich der Bremsabstände mit und ohne DCC.
Bild 3: Beispiel für die Wirkung der neuen Verzögerungsregelung

Signifikant geringere Bremswegstreuung

Für einen sicheren Betrieb muss mit konventionellen Bremssystemen die Verzögerung unter nassen Schienenbedingungen bis zur Hälfte reduziert werden. Bei einem mit neuer Verzögerungsregelung, erweitertem Gleitschutz und zugweiten ADM verbesserten Bremssystem – sowie dem dadurch erhöhten Faktor Kwet – kann eine Reduzierung um lediglich ein Drittel ausreichen. Damit ließe sich im Betrieb ein hohes Geschwindigkeitsniveau länger halten und ein späterer Bremseinsatzpunkt wäre anwendbar.

Ein ähnliches Beispiel lässt sich für den Effekt der DCC-Verzögerungsregelung unter trockenen Betriebsbedingungen skizzieren. So folgt aus der signifikant kleineren Varianz in der Bremswegstreuung, dass der Zug für einen sicheren Halt innerhalb des definierten Bremswegs erst später abgebremst werden kann. Im Gegenzug ließe sich die Bremsverzögerung erhöhen, der Zug wäre folglich länger bei maximaler Geschwindigkeit unterwegs (Bild 4 und Bild 5).

Diagramm zur Bremsdekalation im Schienenverkehr.Diagramm zur Bremsdekalation im Schienenverkehr.
Bild 4: Anrechenbar höhere Verzögerungswerten könnten bisher unter schlechten Umweltbedingungen nötige Geschwindigkeitsreduzierungen verzichtbar machen.
Diagramm zur Bremsdistanz von Zügen und Signalen.Diagramm zur Bremsdistanz von Zügen und Signalen.
Bild 5: Eine geringere Varianz der Bremswege führt dazu, dass Züge länger schnell fahren können.

Festzuhalten ist zudem, dass eine verbesserte Bremswegkonstanz unter erschwerten Bedingungen zu geringeren Behinderungen im Betriebsablauf führen und damit die Fahrplanqualität verbessert kann. Vereinfacht gesagt: Weniger erfahrene Triebfahrzeugführer kommen leichter mit schwierigen Schienenverhältnissen klar, auch erfahrene Fahrer müssen im Herbst weniger „vorsichtig“ fahren, wodurch sich auch weniger Zeitverzug aufsummiert

Simulationsstudie unter LZB/ETCS Level 2/CTCS-3-Zugbeeinflussungsstemen

Der Nutzwert des Ansatzes zeigt sich an der Verbesserung der Zugfolgezeiten und damit an den potenziell erzielbaren Kapazitätssteigerungen, die sich bereits in Kombination bestehender Zugsicherungssystemen erzielen lassen. Dies hatte im vergangenen Jahr im Mittelpunkt einer großangelegten Simulationsstudie im Rahmen des europäischen Förderprogramms Shift2Rail, Projekt PINTA2, mit dem Institut für Bahntechnik GmbH mit Sitz in Berlin gestanden.

Durchgeführt wurden die Studie mit der Simulationssoftware Open Track am typischen Beispiel einer U-Bahn (24 m Zuglänge, 47,9 t Masse), einer S-Bahn (60 m Zuglänge, 148 t Masse), eines Regionaltriebzugs (72 m Zuglänge, 170 t Masse) sowie eines in China verkehrenden Hochgeschwindigkeitszugs (200 m Zuglänge, 442 t Fahrzeugmasse). Den Simulationsfahrten von U- und S-Bahn sowie Regionaltriebzug lag das Zugbeeinflussungssystem LZB bzw. ETCS Level 2 und ETCS Level 3 zugrunde, dem Hochgeschwindigkeitszug (China) das mit ETCS Level 2 vergleichbare CTCS-3.

Für möglichst realistische Ergebnisse wurden repräsentative Kurvenradien, Gefälle, Haltestellenabstände sowie typische Haltezeiten des Passagierwechsels gewählt. Um die im Betrieb durch den Wechsel von ober- und unterirdischen Streckenabschnitten schwankenden Kraftschlusswerte ebenfalls möglichst realistisch abzubilden, kamen für die Simulation Verzögerungswerte zwischen 0,5 m/s2 und 1,5 m/s2 zur Anwendung. Die Verzögerung nahm pro Simulationsintervall um 0,1 m/s2 zu. Zudem wurden die Simulationen jeweils für trockenen und nassen Schienenzustand durchgeführt.

Da die verwendete Simulationssoftware Open Track keine exakten Bremskurven für unterschiedliche Anfahrgeschwindigkeiten berechnet, verwendete man bei den Simulationen lediglich durchschnittliche Momentanverzögerungswerte. Für die hier betrachteten Züge mit dem ETCS Gammamodell mit direkter ep-Bremse, sind die relativ kleinen Bremsaufbauzeiten berücksichtigt. Mit dieser Näherung kann die Simulation der Fahrzeit zwischen zwei Bahnhöfen als ausreichend genau angenommen werden.

Hohe Potenziale bei U- und S-Bahnen sowie im Hochgeschwindigkeitsverkehr

Die Simulationsergebnisse beschreiben teilweise deutliche Potenziale für eine verbesserte Infrastrukturauslastung. Bei trockenen Schienen – und allen voran der geringeren Bremswegstreuung geschuldet – ergaben sich folgende Spannen für verkürzte theoretische Zugfolgezeiten: U-Bahn: 9 bis 19%, S-Bahn: 9 bis 16%, Regionalverkehr mit Triebzügen: 1,5 bis 4% und Hochgeschwindigkeitsverkehr (China): bis zu 20%.

Die Schwankungen der theoretischen Zugfolgezeiten resultieren aus den unterschiedlichen Betriebs- und Streckenparametern sowie dem Unterschied zwischen Fixed (Level 2) oder Moving Blocks (Level 3) des Zugbeeinflussungssystems ETCS.

Bei nassen Schienen – und allen voran durch die besser reproduzierbaren Verzögerungswerte durch MGS3 und ADM – ergaben sich folgende Spannen: U-Bahn: 10 bis 13%, S-Bahn: 10 bis 12%, Regionaltriebverkehr mit Triebzügen: 4 bis 7%, Hochgeschwindigkeitsverkehr (China): bis zu 20%.

Die vergleichsweise geringen Potenziale im Regionalverkehr dürften den dort selten optimierten Signalabständen geschuldet sein. Insbesondere im ländlichen Raum sind vergleichsweise lange Blockabschnitte mit entsprechend langen Freigabezeiten üblich. In der Praxis dürfte der dortige Effekt tendenziell sogar noch geringer ausfallen, da im Mischbetrieb stets das Bremsvermögen des Zuges mit den geringsten Verzögerungswerten maßgeblich sein muss.

Bei den anderen untersuchten Verkehrsarten handelt es sich um signaltechnisch weitgehend optimierte Modelle, sodass sich kürzere Bremswege und reduzierte Bremszeiten infolge von verbesserten Bremssystemen ganz unmittelbar auf die Zugfolgezeit auswirken.

Entsprechend größer ist der Effekt im U-Bahnbetrieb mit dessen Kombination aus vergleichsweisen niedrigen Geschwindigkeiten, geringen Haltestellenabständen und kürzeren Haltezeiten (Bild 6). Dem S-Bahnbetrieb bescheinigen die Simulationsergebnisse Potenziale in einem vergleichbaren Bereich.

Geradezu beeindruckend ist der Effekt (bis zu 20%) bei Hochgeschwindigkeitsanwendungen. Zweierlei Gründe scheinen hierfür verantwortlich: Einerseits sind die Strecken topologisch und signaltechnisch für den Hochgeschwindigkeitsverkehr optimiert, andererseits führen Bremsungen aus Ausgangsgeschwindigkeiten von 300 km/h bei erhöhten Verzögerungswerten zu einer vergleichsweise starken Verkürzung des Bremswegs.

Servicebremse Verzögerungswerte altes und neues SystemServicebremse Verzögerungswerte altes und neues System
Bild 6: Beispielhafter Zeitgewinn in Sekunden in einer U-Bahn

Ausblick und Einordnung

Wenngleich die Simulationsergebnisse einen deutlichen Trend zeigen, scheint eine Verallgemeinerung der Ergebnisse gerade aufgrund der teilweisen sehr unterschiedlichen Bedingungen in U- und S-Bahnnetzen schwierig. Zu berücksichtigen ist, dass verschiedene Netze unterschiedliche Engpässe haben. Diese können sich in der Leit- und Sicherungstechnik, der Infrastruktur oder auch im Fahrzeug befinden. Klarheit über die tatsächlichen Potenziale eines definierten Anwendungsfalls müssten folglich anhand projektspezifischer Untersuchungen ermittelt werden.

In jedem Fall eröffnen die Ergebnisse der Maßnahmen zur Reproducible Braking Distance (RBD) große Chancen für die Schienenverkehrsbranche. Die Reduzierungen bei den Zugfolgezeiten würden Anpassungen an bestehenden Regelwerken bedingen. Dabei ist zu beachten, dass das volle Potenzial nur ausgeschöpft wird, wenn Leit- und Sicherungstechnik, Infrastruktur und Fahrzeug/Bremssystem im sprichwörtlichen einem Guss optimiert werden. Außerdem ist im ATO-Betrieb ein Potential zur Verdichtung des Fahrplanes gegeben. Aber auch ohne Änderung an der Leit- und Sicherungstechnik wirkt sich RBD verbessernd auf die Fahrplanqualität aus. Und ermöglicht dem Triebfahrzeugführer in schwierigen Situationen, dass Fahrzeug verlässlicher abzubremsen. Neben der Verbesserung im Bremsverhalten kann eine verbesserte Kraftschlussausnutzung auch im Traktionsfall sich positiv auf die Reduzierung der Zugfolgezeiten auswirken.

Da der RBD-Ansatz jedoch gerade in stadtnahen Schienenverkehrssystemen sowie in der Hochgeschwindigkeitsverbindung von Metropolen den größten Nutzwert generiert, leistet er bei einer großflächigen Umsetzung einen Beitrag zur Beherrschung der sich verstärkenden Urbanisierung.

Autoren: Matthäus Englbrecht, Heiko Gremmel, Ernst Hohmann, Thomas Linke

Literaturverzeichnis:

[1]: United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division (2019). World Urbanization Prospects: The 2018 Revision (ST/ESA/SER.A/420), S. 21

[2]: Ulf Friesen, Ralf Furtwängler, Norman Kreisel, Jörg Braeseke, Dariusz Ciesielski: Verzögerungsgeregeltes Fahrzeug ermöglicht ein stabileres Bremsverhalten in allen Geschwindigkeiten. ZEVrail, Februar 2020

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