Reproducible Braking Distance: Adhesion Management

Mehr Mobilität auf der Schiene: Erhöhung der Transportkapazität durch Optimierung des Kraftschlusses.

Wenn Züge zuverlässig innerhalb definierter Anhaltewege zum Stehen kommen, stellt dies neben dem positiven Einfluss auf Betriebsstabilität und Pünktlichkeit auch einen zentralen Baustein zur Taktverdichtung und folglich erhöhter Transportkapazität dar. Neben einer neuartigen Verzögerungsregelung sowie einer verbesserten Gleitschutzfunktion spielt hierzu beim Knorr-Bremse-Ansatz einer Reproducible Braking Distance (RBD), deren funktionale Verknüpfung mit einem künftig situationsangepassten Adhäsionsmanagement eine entscheidende Rolle. Zur Schaffung einer umfangreichen und präzisen Datenbasis zur Entwicklung derartiger Funktionalitäten führten DB Systemtechnik und Knorr-Bremse eine Shift2Rail-geförderte Versuchskampagne mit dem „advanced TrainLab“ durch. Die DB Systemtechnik zielt mit den Ergebnissen auf eine weiterentwickelte Prüfung von Gleitschutz- und Adhäsionsmanagementsystemen an ihrem Gleitschutzprüfstand ab. So sollen künftig betrieblich schwierige Fahrversuche durch Prüfstandsversuche ersetzt werden können, andererseits die Prüfbedingungen und -kriterien bei extrem niedrigen Kraftschlussbedingungen auch im Hinblick auf führerloses Fahren (ATO) ausgeweitet werden.

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Kollaborationsprojekt misst Kraftschlussbedingungen am Rad-Schiene-Kontakt

Bei der Deckung heutiger Mobilitäts- und Transportbedarfe spielt der Schienenverkehr eine zentrale Rolle. Doch seine Akzeptanz hängt gerade auch an der Betriebsstabilität, etwa in Form von Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Hierauf hat die Bremswegstabilität, also die Frage, inwieweit Züge zuverlässig innerhalb betrieblich definierter Bereiche zum Stillstand kommen, um beispielsweise Signale oder Bahnstationen nicht zu überfahren, maßgeblichen Einfluss. Gleiches gilt unter Berücksichtigung heutiger und zukünftiger Signaltechnik (z.B. LZB/ ETCS) für die Perspektive einer verbesserten Schieneninfrastrukturauslastung durch höhere Zugfolgen, speziell bei automatisiertem Bahnbetrieb (Automatic Train Operation, ATO). Auch hier hat die Stabilität des Bremswegs – insbesondere bei verminderten Kraftschlussbedingungen, wie unter Nässe oder auf Herbstlaub [1] – bedeutenden Einfluss.

Im Zuge des Reproducible Braking Distance (RBD)-Ansatzes stellt Knorr-Bremse aktuell erstmals eine funktionale Verknüpfung zwischen einer neuartigen Verzögerungsregelung, einem verbesserten Gleitschutz sowie einem nun zugweit ausgelegten und situationsangepassten Adhäsionsmanagement her. Das Resultat ist ein abgestimmtes und optimiertes Gesamtsystem. Das Adhäsionsmanagement soll zunächst durch eine geeignete Anordnung von Sandungsanlagen realisiert werden, um durch Verschmutzungen und Umweltbedingungen negativ beeinflusste Kraftschlusswerte im Rad-Schiene-Kontakt entscheidend zu verbessern.

Der Wunsch, die dort auftretenden physikalischen Bedingungen anhand einer umfangreichen Datenbasis näher zu beleuchten und die Zusammenhänge auf Basis einer Darstellung konkreter Kraftschlusskurvenverläufe zu verstehen, stand im Oktober 2019 im Mittelpunkt einer Versuchskampagne von Knorr-Bremse und DB Systemtechnik im Rahmen des europäischen Förderprogramms Shift2Rail, Projekt PINTA2 (EU Horizon 2020, GA-Nummer 826054). Innerhalb des Förderprojekts finden die Daten wiederum Eingang in einen „adhesion catalogue“ zur Dokumentation real auftretender Kraftschlussbedingungen. Der Katalog stellt eine der Grundlagen zur Entwicklung und Validierung weiterer kraftschlussrelevanter Funktionen dar.

Dies ist notwendig, da die bisherige Datenlage aus dem Betrieb insbesondere zu von Laub („black leaf layer“) verursachten, sehr niedrigen Rad-Schiene-Kraftschlusswerten vergleichsweise gering ist. Gleichwohl wurden grundlegende Messungen im Rahmen von Forschungsprojekten bereits durchgeführt. So zum Beispiel an der Universität Twente sowie der Technischen Universität Delft [2]; [3]. Eine groß angelegte Untersuchung der Wirkung von Sandungsanlagen (Verwendung zweier besandeter Radsätze) bei niedrigen Kraftschlussbedingungen an einem vierteiligen Zug wurde zuletzt vom RSSB (Rail Safety and Standards Board, England) durchgeführt [4]. Hierbei kam eine Papier-Präparation der Schiene zum Einsatz. Auch im Rahmen der Betriebsoptimierung Herbstverkehr 2003ff der DB Regio und DB Systemtechnik [5] wurden Optimierungen von Sandungsanlagen und Gleitschutzalgorithmen mit Hilfe der Papierpräparation erarbeitet und geprüft.

Zusammenfassung

Wenn Züge zuverlässig innerhalb definierter Anhaltewege zum Stehen kommen, stellt dies neben dem positiven Einfluss auf Betriebsstabilität und Pünktlichkeit auch einen zentralen Baustein zur Taktverdichtung und folglich erhöhter Transportkapazität dar. Neben einer neuartigen Verzögerungsregelung sowie einer verbesserten Gleitschutzfunktion spielt hierzu beim Knorr-Bremse-Ansatz einer Reproducible Braking Distance (RBD), deren funktionale Verknüpfung mit einem künftig situationsangepassten Adhäsionsmanagement eine entscheidende Rolle. Zur Schaffung einer umfangreichen und präzisen Datenbasis zur Entwicklung derartiger Funktionalitäten führten DB Systemtechnik und Knorr-Bremse eine Shift2Rail-geförderte Versuchskampagne mit dem „advanced TrainLab“ durch. Die DB Systemtechnik zielt mit den Ergebnissen auf eine weiterentwickelte Prüfung von Gleitschutz- und Adhäsionsmanagementsystemen an ihrem Gleitschutzprüfstand ab. So sollen künftig betrieblich schwierige Fahrversuche durch Prüfstandsversuche ersetzt werden können, andererseits die Prüfbedingungen und -kriterien bei extrem niedrigen Kraftschlussbedingungen auch im Hinblick auf führerloses Fahren (ATO) ausgeweitet werden.

Zusätzliche Sandungsanlage und Messequipment für „advanced TrainLab“-Versuchsträger

Als Versuchsträger diente der von der Deutschen Bahn AG zum „advanced TrainLab“ (aTL) umgerüstete vierteilige Triebzug (2'Bo'+Bo'2'+2'Bo'+Bo'2') der Baureihe 605. Das Fahrzeug wird dieselelektrisch angetrieben und ist mit einer Traktionsleistung von 1.700 kW ausgestattet (Bild 1).

Während einer einwöchigen Rüstphase am Betriebshof in Halle/Saale wurden in das Fahrzeug eine zusätzliche Sandungsanlage (vor dem in Fahrtrichtung 3. Radsatz), Equipment zur Bewässerung der Schienen, sowie Mess- und Sensortechnik integriert (Bild 2).

An das dezentral ausgeführte Messsystem wurden einerseits die im Fahrzeug vorhandenen Sensoren wie beispielsweise die Impulsgeber zur Geschwindigkeitsermittlung angebunden. Andererseits wurde Sensorik zur Generierung zusätzlicher Signale für zum Beispiel Bremsdrücke, Bremsscheibentemperaturen, Umweltbedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit) sowie zur Ermittlung der Referenzgeschwindigkeit verbaut. Alle Signale wurden hochauflösend mit einer Abtastrate von 200 Hz eingelesen. Der im Versuch führende Wagen erhielt die entsprechenden Bedien- und Überwachungseinrichtungen zum Echtzeit-Monitoring während des Versuchsverlaufs sowie zur Ansteuerung benötigter Stellfunktionen wie der Parametrisierung und Aktivierung des Sandungssystems. Die Überwachungseinrichtungen beinhalteten im Sinne einer sicheren Versuchsdurchführung auch Maßnahmen zur Verhinderung von Radstillständen.

Durch die Ausrüstung des kompletten Zuges mit Sensor- und Messtechnik ließ sich die Konditionierung der Schiene (Veränderung der Kraftschlussbedingungen durch Einfluss des Fahrzeugs/Mehrfachüberrollungen) über alle Radsätze des Zuges nachweisen. Effekte wie beispielsweise „cross-improvement“ (Verbesserung der Kraftschlussbedingungen durch Mehrfachüberrollungen) können anhand der Versuchsdaten quantifiziert werden.

Fahrzeugseitig wurden während der Versuchsfahrten die Ausgangsgeschwindigkeit der Bremsungen sowie Parameter der zusätzlich vor dem in Fahrtrichtung dritten Radsatz installierten Sandungsanlage variiert. Durch diese von Serienfahrzeugen abweichende Versuchsanordnung der Sandungsanlage war es möglich, während jedes Versuchs die ersten beiden Radsätze zur Referenzmessung des aktuellen Rad-Schiene-Ausgangskraftschlusses heranzuziehen. Mit dem installierten Sandungssystem und einer zusätzlichen Steuerung zur dynamischen Anpassung des Versorgungsdrucks wurden die ausgetragene Sandmenge sowie zeitliche Parameter der Sandausbringung beeinflusst. Zusätzlich am Wagenkasten angebrachte Kameras überwachten den unterflur stattfindenden Versuchsablauf.

Bild 1: Der Versuchsträger „advanced TrainLab“ auf dem 500 Meter langen Versuchsabschnitt nahe Plau am See (Mecklenburg-Vorpommern)

„Black Leaf Layer“ für realitätsnahe Umgebungsbedingungen

Infrastrukturseitig wurden zur Simulation extrem niedriger Kraftschlusswerte (µ < 0.03) im Rad-Schiene-Kontakt auf dem 500 Meter langen Versuchsabschnitt nahe Plau am See (Mecklenburg-Vorpommern) manuell auf die Schienen aufgebrachtes Laub sowie Papier verwendet. Ziel war, insbesondere durch das Aufbringen des Laubes einen sogenannten „Black Leaf Layer“ und damit im Bahnbetrieb seltene, aber real vorkommende Umweltbedingungen herzustellen (Bild 3).

In Verbindung mit den am Fahrzeug installierten Bewässerungseinrichtungen konnten damit entsprechend niedrige Kraftschlusswerte erzeugt werden.

Zu Beginn jeder Messung wurde der Zug zunächst auf Ausgangsgeschwindigkeiten von 40, 70 und 100 km/h beschleunigt. Mit dem Einfahren in den Versuchsabschnitt wurden dann jeweils (rein pneumatische) Schnellbremsungen eingeleitet sowie zeit- oder geschwindigkeitsabhängige Sandmengen von 400g/30s +100g (v < 140km/h) bis zu maximalen 7,5g/m in den Rad-Schiene-Kontakt eingebracht. Zudem konnten für zusätzliche Untersuchungen zwei Sandrohrdurchmesser ausgewählt sowie die Zustellposition der Sandrohre variiert werden. Mit einem Zeitstempel versehen, speicherte das Messsystem sämtliche aufgezeichneten Messdaten gebündelt und synchronisiert für die spätere Auswertung.

Die abwechselnde Durchführung von Versuchen in beide Fahrtrichtungen des Fahrzeugs mit bzw. ohne Verwendung der Sandungsanlage ermöglichte jeweils die Messung des Referenzzustands im Rad-Schiene-Kontakt sowie den erzeugten Zustand unter Einwirkung des Streumittels. Insbesondere die Verwendung der beiden unbesandeten Radsätze (erster und zweiter Radsatz in Fahrtrichtung) auch während der Messungen mit aktiver Sandausbringung als Referenz ohne Sandeinfluss erwies sich für die Versuchsdurchführung sowie die spätere Auswertung als hilfreich. Die Versuchskampagne umfasste schlussendlich über 250 Einzelmessungen.

Bild 2: Installation der dynamisch ansteuerbaren Sandungsanlage vor dem dritten Radsatz des Versuchsträgers
Bild 3: Der hergestellte „Black Leaf Layer“ aus aufgebrachtem Laub (l.) bzw. Papier (r.) bildete realistische Umweltbedingungen für die Versuchsfahrten

Auswertung der Messergebnisse und deren Verwendung

Die durchgeführten Messungen erbrachten den Nachweis der Vergleichbarkeit von mittels feuchtem Laub auftretenden natürlichen Kraftschlusswerten und den mit feuchtem Papier erzielbaren Werten. In beiden Fällen stellte sich der Kurvenverlauf sehr ähnlich dar – jeweils mit der charakteristischen Ausbildung eines Maximums bei sehr niedrigen Schlupfwerten und einem Abfall des Kraftschlusses hin zu höheren Schlupfwerten. Zwar zeigten die einzelnen Werte auch in Abhängigkeit von der Anzahl der Überrollungen ein und derselben Schienen-Präparation eine gewisse Streuung, sie bewegten sich jedoch in vergleichbarer Größenordnung (Bild 4).

Weiterhin zielten die Bremsungen auf die Zusammenhänge zwischen den Rad-Schiene-Kraftschlusswerten und ausgebrachter Sandmenge ab. Hierbei zeigte sich, dass eine Ausbringungsmenge von 400g/30s (wie festgelegt in ERA/ERTMS/033281; [6]), insbesondere bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 100km/h, nahezu keine Auswirkung auf das Bremsverhalten des gesamten Zuges hat. Gerade in diesem vergleichsweise hohen Geschwindigkeitsbereich würde jedoch bei einer Bremsung im realen Betrieb der größte Anteil der Bremswegverlängerung entstehen (Bremsleistung „geht verloren“).

Der Sandungseffekt vergrößert sich bei diesen konstanten Ausbringungsmengen hin zu geringeren Geschwindigkeiten. Bei effektiv gesteigerten Sandmengen (z.B. 2g/m, 4g/m, 7,5g/m) kommt der Effekt sehr viel deutlicher zum Tragen. So kann für einzelne Radsätze bereits von trockenen Kraftschlussbedingungen ausgegangen werden (Bild 5, dritter Radsatz).

Bild 4: Der Kurvenverlauf der Kraftschlusswerte von nassem Papier (rot) und Laub bzw. “black leaf layer“ (blau) über dem Radschlupf belegt die Vergleichbarkeit der beiden Varianten zur Präparation der Schienenoberfläche (Versuchsbedingungen: Bremsung aus 70km/h, EB). Dargestellt sind die Mittelwerte sowie die Standardabweichungen mehrerer Versuche bei gleichen Versuchsbedingungen.
Bild 5: Kraftschlusswerte der in Fahrtrichtung ersten vier Radsätze bei Einbringung unterschiedlicher Sandmengen (400g/30s, 4g/m) vor dem dritten Radsatz während einer Bremsung aus 100km/h auf Laubpräparation.

In erster Näherung steigerte eine Änderung der ausgebrachten Sandmenge von zeitabhängigen 400g/30s auf wegabhängige 2g/m, 4g/m bzw. 7.5g/m den für die Bremsung verfügbaren Rad-Schiene-Kraftschluss gegenüber zeitabhängig ausgebrachter Sandmenge um 150%, 210% bzw. 310%.

Aufgrund der unterschiedlichen Anzahl von Versuchen aus den verschiedenen Ausgangsgeschwindigkeiten sind die Ergebnisse jedoch statistisch unterschiedlich belastbar. Neben einer Konkretisierung dieser ersten Abschätzungen befinden sich der Effekt unterschiedlicher Sandrohrpositionen sowie die Änderung weiterer Parameter aktuell noch in Auswertung.

Die gemessenen Kraftschluss-bezogenen Datensätze (Referenzbedingungen sowie durch die Sandung beeinflusste Werte) bilden nun eine Datenbasis für die weitere Verwendung bei den Versuchsprojektbeteiligten.

Bei Knorr-Bremse finden die ermittelten Versuchsdaten Eingang in die Entwicklung von Adhäsionsmanagement-Konzepten als Teil der Reproducible Braking Distance (RBD) Entwicklungen. Weiterhin liefern die Datensätze Informationen für die Auslegung der Sandungssysteme selbst, etwa hinsichtlich optimal auszubringender Sandmengen oder möglicher unterschiedlicher Einbauarten. Daneben kann damit auch eine Kosten-Nutzen-Betrachtung und somit eine gesamthafte Optimierung des Systems hinsichtlich Betrieb (Kraftschluss), Infrastruktur (Verschleiß Rad-/Schiene, Verschmutzung Oberbau) sowie Wartung (Sandverbrauch) erfolgen.

Die Messdaten schließen auch den Kreis zu bereits erfolgten Versuchen am Knorr-Bremse ATLAS (Advanced Test Laboratory for Adhesion based Systems) Rollenprüfstand. So können die Ergebnisse bereits vorhandener Prüfstandsmessungen (Verzögerungen, Bremswege etc.) nun mit Werten aus dem Fahrversuch validiert werden. Umgekehrt können die erhobenen Kraftschlussdaten als Referenzbedingungen zur Einstellung der Kraftschlussverhältnisse am Prüfstand eingesetzt werden.

Bei der DB Systemtechnik fließen die Ergebnisse der Datenanalyse in den Betrieb des Gleitschutzprüfstands über die Simulation von extrem niedrigen Kraftschlussbedingungen ein. Das Ziel besteht darin, durch eine Kombination von Prüfstandsversuchen und Fahrversuchen das Regelverhalten von Gleitschutzanlagen über ein breiteres Kraftschlussspektrum zu prüfen, ohne den Aufwand für Fahrversuche zu steigern. Es ist sogar denkbar, einige betrieblich schwierige Gleitschutzversuche durch Prüfstandsversuche zu ersetzen.

Insbesondere vor dem Hintergrund von ATO ist eine Kenntnis der Bremswegsicherheit eines Fahrzeugs unter niedrigen und extrem niedrigen Kraftschlussverhältnissen wichtig. Gegebenenfalls sind gegenüber den etablierten Regelwerken UIC 541-05 bzw. EN 15595 zusätzliche Kriterien zu definieren. Hierzu sind die Messdaten als Eingangsdaten für den Gleitschutzprüfstand ein wichtiger Beitrag.

Der Gleitschutzprüfstand nutzt weg- und schlupfabhängige Kraftschlussfenster als Datenbasis für die Simulation des Rad-Schiene-Kontakts. Diese müssen zunächst aus den aufgezeichneten Messdaten generiert werden. Da der Kraftschluss nicht direkt gemessen wurde, wird er stattdessen aus den aufgezeichneten Größen und unter Berücksichtigung der Fahrzeugparameter als Funktion der Schlupfgeschwindigkeit und der zurückgelegten Strecke berechnet. Dank der bei den Testfahrten durchgeführten hohen Anzahl an Einzelmessungen lassen sich eine Vielzahl von Kraftschlussprofilen für den Gleitschutzprüfstand generieren (Bild 6).

Diese bilden die Schwankungen der natürlich auftretenden herbstlichen Bedingungen ab und stellen somit die Basis für Prüfstandsversuche bei extrem niedrigen Haftwerten dar.

Die Referenzbremsungen ohne aktive Sandungsanlage sind für diesen Anwendungsfall von besonderem Interesse: Da bei diesen Bremsungen alle Radsätze direkt dem durch die Präparation erzeugten Kraftschluss unterlagen, wird auch der sogenannte Konditionierungseffekt (Beeinflussung des Kraftschlusses durch Überrollung mehrerer Radsätze) quantifizierbar.

Bild 6: Beispielhaftes Kraftschlussfeld einer Bremsung auf mit Laub präparierten Schienen

Kritische Betrachtung

Unabhängig davon, ob Messungen physikalischer Effekte wie beispielsweise dem Rad- Schiene-Kontakt auf Prüfständen oder mittels Fahrzeugen durchgeführt werden, lassen sich aufgrund zahlreicher Randbedingungen und der Vielzahl zu berücksichtigender Parameter zumeist nicht alle offenen Fragestellungen einer Aufgabe vollumfänglich beantworten. Die beschriebenen Versuche für ein künftig situationsangepasstes Adhäsionsmanagment stellen hierbei keine Ausnahme dar.

So ließen sich etwa bei den beschriebenen Messungen aufgrund der Begrenzung der präparierten Teststrecke auf eine nutzbare Länge von 500 Metern keine vollständigen Haltebremsungen aus hohen Geschwindigkeiten realisieren. Dies war unter anderem aufgrund des Präparationsaufwands und der angestrebten Anzahl an Wiederholungen einzelner Versuche im gegebenen Zeitraum nicht möglich. Derartige Einschränkungen können allerdings zum Teil dadurch kompensiert werden, dass Messungen aus unterschiedlichen Ausgangsgeschwindigkeiten im Nachgang zusammengesetzt werden.

Während der Versuche war es nicht möglich, die elektrodynamischen Bremskräfte auf Radsatzebene zu bestimmen, weshalb die Abbremsung des Fahrzeugs ausschließlich mittels elektropneumatischer Bremskrafterzeugung erfolgte. Aufgrund der Fahrzeugarchitektur war folglich an einzelnen Radsätzen die maximal erzeugbare Bremskraft limitiert, wodurch gerade bei hohen Sandmengen an einigen Radsätzen der verfügbare Kraftschluss nicht zu jedem Zeitpunkt bestimmt werden konnte. Da generell jedoch sehr niedrige Kraftschlussniveaus im Fokus der Versuche standen, sowie die Erhebung von Referenzwerten ohne Sandungseinfluss jederzeit möglich blieb, beeinträchtigte dieser Umstand die Auswertungen nicht.

Zudem geht mit der Testfahrzeugauswahl ein klar positiver Aspekt einher: Derartige Versuchsreihen sind praktisch nur auf äußerst gering befahrenen und dadurch meist nicht elektrifizierten Strecken durchführbar. Darüber hinaus ermöglichen die unterschiedlich abgebremsten Radsätze die gleichzeitige Auswertung unterschiedlicher Kraftschluss-Schlupf-Kurven in einem Versuch.

Autoren: Dr. Marcus Fischer, Kurt Haselsteiner, Dr. Ferenc Szekely, Sebastian Heinz, Felix Kröger

Literaturverzeichnis

[1]: RAIB Rail Accident Report, Autumn Adhesion Investigation Part 3: Review of adhesion-related incidents Autumn 2005. Report 25 (Part 3)/2006, January 2007

[2]: Popovici, Radu Ionut. Friction in Wheel - Rail Contacts, PhD Thesis, University of Twente, 2010.

[3]: Arias-Cuevas, Oscar, Low Adhesion in the Wheel-Rail Contact. PhD Thesis, Technical University Delft, 2010.

[4]: RSSB Trial of Sander Configurations and Sand Laying Rates, T1107 Report. Issue 1, 2018.

[5]: Dr. Spiess, Peter. „Schmierfilm auf den Schienen – Systemlösungen für das Herbstproblem“, ZEVRail Tagungsband Schienenfahrzeugtagung Graz 2005

[6]: Interfaces between the Control-Command and Signalling Track-side and other Subsystems. ERA/ERTMS/033281, Version 4.0. 20.09.2018

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